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Unter Wölfen

In einem Beitrag mit dem Titel An Eerie, Unacceptable Silence (zu deutsch etwa: Das unheimliche und nicht hinnehmbare Schweigen) berichtet Nik Ripken auf berührende Weise über seine Erfahrungen mit verfolgten Christen. Ich will Auszüge daraus wiedergeben.

Seit mehr als 2 Jahrzehnten steht Nik mit vielen Christen in persönlichem Kontakt, die unter schwersten Verfolgungen leiden. Seine Reise begann in Somalia. Seit 1991 herrscht dort ein Bürgerkrieg, der die Nation zerstört. Wie sich dieses Land selbst zerfleischt, ist schon schlimm genug. Aber die Verfolgung somalischer Christen mit anzusehen ist geradezu unerträglich. Die Zahlen dazu sind schockierend. In den 90er Jahren lernten er und seine Frau ca. 150 Christen kennen, die einen moslemischen Hintergrund hatten. Als beide dann etwa nach 8 Jahren das Land gezwungenermaßen verlassen mussten, waren gerade noch 4 Gläubige am Leben.

Nik fragte sich: ist auf Jesus Verlass? Ist er immer noch Herr über die ganz schwierigen Orte auf dieser Welt, dort, wo neuzeitliche Römische Reiche sich in grausamer Verfolgung offenbaren? Oder ist dieser Jesus nur noch in der geschniegelten, auf schöne Gotteshäuser ausgerichteten und gebildeten Kirche im Westen zu finden?

Er und seine Frau haben noch viele Jahre unter verfolgten Gläubigen verbracht, die sich meist in Hausgemeinden versteckten. In mehr als 72 Ländern trafen sie sich mit mehr als 600 Nachfolgern Jesu, die damals wie heute von Verfolgung bedroht waren, sei es von Seiten des Kommunismus, des Buddhismus, des Hinduismus oder des Islam. Diese Christen waren Mentoren für Nik und seine Frau. Sie zeigten ihnen, wie man Jesus nachfolgt und ihn in einer Umgebung der Verfolgung bekannt macht, wie man überlebt und wie man kämpft. In einer Welt, die schon viel zu lange von Kreuzigung geprägt ist, waren diese Gläubigen Zeugen der Auferstehung.

In der ehemaligen Sowietunion sprachen Nik und seine Frau einmal mit zwei Diakonen, die drei Jahre lang in einem sibirischen Arbeitslager interniert waren. Sie erzählten, dass einmal etwa 240 Pastoren ins Lager gebracht wurden, weil sie sich geweigert hatten, ihren Glauben zu widerrufen. Diese Pastoren bekamen Arbeiten zugeteilt, die man unmöglich erfüllen konnte. Mit Stöcken sollten sie die gefrorene Tundra beackern. Jeden Abend, nach einem weiteren Tag vorprogrammierten Versagens, zog man sie bis auf die Unterwäsche aus und übergoss sie mit kaltem Wasser. Innerhalb von 3 Monaten waren alle an unterschiedlichen Krankheiten gestorben. Jeder war "treu bis zum Tod" (Offb. 2:10) geblieben.

Etwa 70 Prozent aller Christen, die ihren Glauben ausüben, leben in einer Umgebung der Verfolgung. Im Westen ist man darüber schockiert und kann es gar nicht glauben, dass Nachfolger Jesu tatsächlich verfolgt werden. Gleichzeitig kommen mehr als 90 Prozent der westlichen Christen gar nicht auf die Idee, die gute Botschaft von Jesus mit anderen zu teilen. Nicht ein einziges Mal. Das "Evangelium", das wir lieben, ist so sehr mit Gesundheit, Wohlstand und Glück verbunden, dass hier gar kein Platz ist für Verfolgung, jedenfalls nicht für die, die Gott wirklich liebt. Wenn wir überhaupt über Verfolgung nachdenken, dann sind wir der Meinung, dass ihr Fehlen in unserem Leben ein Zeichen dafür ist, welchen besonderen Stand wir bei Gott haben. Kein Wunder, dass wir so wenig für unsere verfolgten Berüder und Schwester beten.

Selten hören wir eine Botschaft über die leidende Kirche. Selten werden Seminare angeboten, die ihre Teilnehmer auf Leid und Verfolgung vorbereiten. Obwohl Jesus gesagt hat, er würde uns wie "Schafe unter die Wölfe senden" (Mt. 10:16), werden die meisten Bibelschüler für einen Dienst zuhause ausgebildet, sie bleiben als Schafe unter Schafen. Überall sonst auf dieser Erde leben währenddessen gläubige Brüder und Schwestern jeden Tag unter dem Eindruck des Leidens und der Verfolgung und zeigen darin die unzerstörbare Kraft des Auferstehung. Das hat zur Folge, dass man ihnen die Kinder wegnimmt. Sie werden geschlagen. Sie werden eingesperrt. Sie werden gefoltert. Und wir schweigen dazu. Wozu führt unser Schweigen? Es vergrößert das Leiden der verfolgten Gläubigen und es bricht Gottes Herz. Es zeigt, dass wir unsere geistlichen Familienmitglieder, die täglich unter Verfolgung leben müssen, vergessen haben.

Es gibt keine verfolgte oder freie Kirche. Es gibt nur eine Kirche! Eine Kirche, die gleichzeitig frei ist und verfolgt wird. Hebr. 13:3 bringt unsere Berufung im Licht dieser Tatsache auf den Punkt: "Gedenkt an die Gefangenen, als wärt ihr Mitgefangene, und derer, die misshandelt werden, als solche, die selbst auch noch im Leib leben."

Keine Nation, keine Regierungsform besteht ewig. Wenn uns eines Tages Verfolgung ereilen sollte, werden wir dann zufrieden sein, wenn andere für uns beten und uns im selben Maße unterstützen, wie wir es heute für unsere leidenen Brüder und Schwestern tun?

Es gibt eine Zeit des Schweigens. Aber nicht jetzt. Dies ist die Zeit, in der wir von Gott reden, das Evangelium teilen und von den Verheißungen Gottes singen müssen. Dies ist die Zeit, in der wir für unsere Brüder und Schwestern beten und zu Gott schreien müssen. Und wenn uns die Worte fehlen, dann brauchen wir den Heiligen Geist, der für uns eintritt (Röm. 8:26).

Webseite von Michael Schuch
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